Berta Jourdan

Seit Dezember 1999 ist Berta Jourdan (1892-1981) Namensgeberin unserer Schule. Damit wird eine Frankfurter Persönlichkeit geehrt, deren Wirken als Pädagogin, Frauenrechtlerin und Politikerin durch den Einsatz für eine inklusive Pädagogik geprägt ist. Mit ihrem sozialen Engagement und ihrer Zivilcourage steht sie in besonderer Weise für die Grundwerte unserer Schule.

Berta Jourdan - einzelne Lebensstationen einer beeindruckenden Persönlichkeit

1892 wurde sie am 21. Juni als älteste von drei Kindern in eine alteingesessene jüdische Familie mit demokratischer Orientierung in Frankfurt am Main geboren. Sie verlor früh sie ihren Vater; von ihrer Mutter wurde sie sehr unterstützt, die jüdische Mädchenschule in Frankfurt zu besuchen

1913 absolvierte sie ihr Lehrerinnenexamen und arbeitete anschließend als Sonderschullehrerin in Frankfurt

1917 trat sie aufgrund der innenpolitischen Entwicklungen während des Ersten Weltkrieges in die SPD ein; sie wurde Leiterin der Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Lehrer*innen in Hessen-Nassau

1924 wurde sie in die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung gewählt (als Nachfolgerin von Toni Sender); als Parteidelegierte nahm sie beim bundesweiten SPD-Parteitag der Frauen für den Bezirk Hessen-Nassau teil

Sie engagierte sich bis 1928 als Stadtverordnete im Frankfurter Römer und setzte sich für eine emanzipatorische Erziehung ein

1928 wurde sie in den Preußischen Landtag gewählt und war bis 1933 Mitglied; dort konzentrierte sie sich auf Fragen fortschrittlicher Schulpolitik

1933 wurde sie nach der nationalistischen Machtergreifung aus dem öffentlichen Schuldienst als Exponentin „jüdisch-marxistischer Schulpolitik“ (Beier 1984: 457)            entlassen; anschließend leitete sie eine private jüdische Schule in Frankfurt

Sie blieb 1933 in Deutschland, weil sie ihre alte Mutter in Frankfurt nicht alleine lassen wollte (ihre Mutter starb 1938)

1939 emigrierte sie im Januar nach Rhodesien (als SPD-Parlamentarierin jüdischer Herkunft war sie dreifach stigmatisiert; aufgrund der politischen Situation und der          NS-Rassenideologie musste sie ihren Sprach- und Kulturraum verlassen)

1942 arbeitete sie bis 1963 in Bulawayo (Rhodesien) als Lehrerin für Kinder und Jugendliche mit Behinderung und Erziehungsschwierigkeiten

1945 wurde sie UN-Berichterstatterin für Schul- und Erziehungsfragen sowie den Ausbau des rhodesischen Schulwesens

1957 gab sie ihr Amt als UN-Berichterstatterin aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit der offiziellen Regierungspolitik auf (die rassistische Politik wurde               unerträglich für sie)

1969 kehrte sie im März nach Frankfurt zurück: „Ich wollte meinen Lebensabend in meiner Heimatstadt verbringen und hier sterben.“ (Wickert 1992: 163)

Durch die erneute Mitarbeit in der SPD fand sie leicht Anschluss an das Frankfurter Leben; sie orientierte sich in Frankfurt an der dortigen Jewish Community

1979 zog sie in das Henry- und Emma-Budge-Heim in Frankfurt, wo sie ihre letzten Jahre des Lebens verbrachte

1981 starb sie am 4. Dezember in ihrer Heimatstadt Frankfurt am Main

Am Ende ihres Lebens fühlte sich Berta Jourdan mehr als Jüdin denn als Sozialdemokratin: „Die Sensibilität für Antisemitismus war geschärft.“ (Wickert 1992: 163f.)

Wir sind als Schule stolz darauf, eine solche Namensgeberin zu haben, denn Berta Jourdan zeichnet sich durch ihr bemerkenswertes soziales und gesellschaftliches Engagement, ihre zielgerichtete Arbeit, ihren Mut, ihre Beharrlichkeit sowie ihren Einsatz für Gerechtigkeit aus. Sie „bewährte sich noch im hohen Alter als eine streitbare Dame im Kampf gegen gesellschaftliche Vorurteile und Engherzigkeiten.“ (Beier 1984:457)

Literatur

Beier, Gerhard 1984: Arbeiterbewegung in Hessen: Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch 150 Jahre (1834-1984), Frankfurt a. M., S. 457

Röder, Werner/Strauss, Herbert A. 1980 (Hrsg.): Biografisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben, München, S. 337 (Institut für Zeitgeschichte/Research Foundation for Jewish Immigration)

Wickert, Christl 1992: Sozialistin, Parlamentarierin, Jüdin. Die Beispiele Käte Frankenthal, Berta Jourdan, Adele Schreiber-Krieger, Toni Sender und Hedwig Wachenheim. In: Heid, Ludger/Paucker, Arnold (Hrsg.): Juden und deutsche Arbeiterbewegung bis 1933. Soziale Utopien und religiös-kulturelle Traditionen, Tübingen, 155-164

Online in Internet: URL: https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/rsrec/sn/bio/register/person/entry/jourdan%252C%2Bberta (abgerufen am 28.6.2021)

Online in Internet: URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Berta_Jourdan (abgerufen am 28.6.2021)