Kopenhagen 2019

Sprog og kommunkation, socio-emotionel udvikling, Deltagelse og indflydelse… der Dänische Laerplaner besteht auf sechs Bildungsbereichen. Er begegnet uns bei unseren Besuchen in allen sozialpädagogischen Einrichtungen Kopenhagens, hängt an der Wand im Eingangsbereich und im Büro, strukturiert den Alltag, die Woche, das ganze Jahr.

Wir sind unterwegs mit Erasmus+ in Dänemark um sozialpädagogisches Arbeiten vor Ort zu erkunden, von Kolleg*innen zu lernen und Einblicke zu erhalten in nordische Pädagogik. Nach vier gefüllten Tagen in fünf Børnehave, dänischen Kindertagesstätten in kommunaler Trägerschaft, mit Hospitationen, Fachgesprächen, Reflexions- und Fragerunden, sind es drei Themenbereiche, die uns weiterhin beschäftigen werden. Die Dänischen Impulse zu Struktur, Essen und Sprache geben uns Anlass pädagogisches Arbeiten in Frankfurt kritisch zu beleuchten, Eigenes aus neuen Perspektiven zu betrachten und vielfältige Ideen für eigenen Unterricht und Ausbildung mitzunehmen.

Struktur: Der Dänische Bildungs- und Erziehungsplan (paedagogiske læreplaner) ist Handlungsrahmen allen pädagogischen Arbeitens. Durch seine Sichtbarkeit in den sozialpädagogischen Einrichtungen bietet er Orientierung für das Personal und macht pädagogisches Arbeiten transparent für Eltern. Es wird deutlich, wie z.B. Natur, udeliv og science (Natur, Outdoor und Naturwissenschaft) als Bildungsbereich in den Alltag integriert ist. Die Eltern erfahren bereits im Flur durch den auf Schaubildern illustrierten læreplaner und die dazu konkret geplanten Aktionen in den Kindergruppen in welche Lernprozesse ihre Kinder eintauchen, was sie in der Kindertagesstätte lernen. Für uns in der Ausbildung bedeutet dies stärker visualisiert mit dem Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan zu arbeiten, mit Auszubildenden grafische Strukturen zu entwickeln, die sie in der sozialpädagogischen Praxis nutzen können, um entlang der Bildungsbereiche zu planen und ihr methodisch-didaktisches Vorgehen im Kita-Alltag in das elementarpädagogische Curriculum des HBEP einzubetten.

Essen: Wir hospitieren in einer Kindergruppe und erleben die Rhythmisierung der Tagesstruktur durch gemeinsame Mahlzeiten. Es ist Standard in Kopenhagen, dass die Einrichtungen alle eine oder mehrere eigene Köch*innen haben. Täglich werden auch Backwaren für Frühstück und Snack frisch gebacken. Zu 90-95% sind die verwendeten Lebensmittel aus biologischer Produktion. Die pädagogische Bedeutung der gemeinsamen Mahlzeiten wird von den Pädagogen bewusst genutzt. Zwei Kinder decken die Tische ein: sie übernehmen Verantwortung in der Handlungsorientierung. Alle essen zusammen: die Gruppe erlebt sich als Gemeinschaft. Die Pädagogen sitzen zusammen mit den Kindern an kleinen Tischgruppen, es gibt leise, neugierige und freundliche Gespräche über die frisch gekochten Leckereien: die Kinder spüren die wohlige Essensatmosphäre. Im Gespräch entdecken sie was serviert wurde: ganz nebenher findet sprachliche Förderung statt, Farben und Formen werden erkundet. Die Kinder nehmen sich Essen und Wasser selbst aus Schüsseln und Kannen: Feinmotorik beim Schöpfen und Gießen wird geübt. Für alles was daneben geht, liegen Tücher bereit. Die Pädagogen strahlen Gelassenheit aus. In der Zeit des Essens ist das Telefon ist ausgestellt, Planungsabsprachen unter den Erwachsenen finden nicht statt: auch so wird die Bedeutung der gemeinsamen Mahlzeiten deutlich! Bezogen auf die Ausbildung nehmen wir uns vor, zukünftig stärker auf Alltagsthemen einzugehen und insbesondere Mahlzeiten in ihrer pädagogischen Bedeutung in den Fokus des unterrichtlichen fachlichen Austauschs zu stellen.

Sprache: Der Schwerpunkt unserer Besuche liegt auf sozialpädagogischen Kindertageseinrichtungen in Stadtvierteln mit prekären Lebensbedingungen. Die Familien der betreuten Kinder sind häufig betroffen von Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch. Viele werden von Erziehungshilfemaßnahmen begleitet. Die meisten Familien sprechen kaum oder gar kein Dänisch. Die Kindertagesstätte Brolopperne greift die Bedürfnisse der Kinder und Familien auf, indem der Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit auf die Bildungsbereiche Sprache und Bewegung gelegt wird. Überall sind Visualisierungen von alltäglichen Prozessen und Gegenständen zu sehen. Die Pädagogen arbeiten alle mit Gebärdensprache. Den Kindern stehen Bildkarten zum Umhängen zur Verfügung um sich verständlich zu machen. 2mal jährlich wird in einem Testverfahren geschaut, ob alle Kinder sich sprachlich so entwickeln, wie es ihrem Alter entsprechend sein sollte (Tidlig opsoring og indsats – TOPI). Was uns nachdenklich macht und uns einen neuen Blick auf Einrichtungen in Frankfurt entwickeln lässt, ist die sehr klare Haltung der Leitung in Bezug auf Neueinstellungen von Personal. Bewusst werden nur Personen ins Team geholt, die Dänisch auf C2 Niveau sprechen, um den Kindern gute Sprachvorbilder zu sein. Die Kommune stellt Übersetzer*innen, die – auch spontan – angefragt werden können. Eine Rollenvermischung von Fachkraft und Übersetzer*in findet damit grundsätzlich nicht statt. Die Einrichtung betont vor allem die große Bedeutung der sprachlichen Begleitung aller Situationen im pädagogischen Alltag, die nur dann gut praktikziert werden kann, wenn man Sprache auf muttersprachlichem Niveau sprechen kann. Welch völlig anderer Weg in vielen sozialpädagogischen Einrichtungen Frankfurts eingeschlagen wird, macht uns nachdenklich.

Zurück in Frankfurt integrieren wir die dänischen Perspektiven auf sozialpädagogisches Arbeiten in unseren Unterricht mit Berufspraktikant*innen. Es entsteht ein angeregter Austausch und ein reflektiertes Hinterfragen eigener Gewohnheiten – der größte Gewinn von Erasmus+ Aufenthalten in Europa!