Schulleben
27.11.2023 "Mit Kindern im Dialog" - eine gewinnbringende Veranstaltung mit Lothar Klein
Nachklang zum Dialogtag am 21.11.23 „Mit Kindern im Dialog“ an den Beruflichen Schulen Berta Jourdan
Mit dem anregenden und gewinnbringenden Dialogtag konnte Lothar Klein, Autor und Fortbildner der Freinet-Pädagogik, rund 70 Berufspraktikant*innen, Lehrer*innen und Trägervertreter*innen inspirieren. Der Impulsvortrag von Lothar Klein stieß auf eine große Resonanz und konnte alle begeistern, die an einer dialogbasierten Pädagogik interessiert sind und Dialoge im beruflichen Alltag gestalten wollen.
Lothar Klein verdeutlichte anhand szenischer Beispiele sehr anschaulich und überzeugend, dass Dialoge als besondere Art des Kommunizierens auch misslingen können oder dürfen. Er mahnte zur Fehlerfreundlichkeit, Nachsicht mit sich selbst und ging mit gutem Beispiel voran. Wichtig sei es, aus diesen Szenen zu lernen. Hierbei können Dialog-Regeln helfen wie zum Beispiel:
- Verlangsamen!
- Schweigen ist produktiv.
- Das Zuhören genießen.
- … und bei Kindern: „Das Kind in die Lage versetzen, sich ausdrücken zu können.“
Lothar Klein präzisierte beispielhaft, was einen gelungenen Dialog ausmacht: Neben Verlangsamung vor allem Perspektivwechsel, Wahrnehmung der Kooperationsbemühungen des anderen und „persönliche Sprache (Jesper Juul)“!
Ein wunderbares „Gummistiefel-Beispiel! stammt von Rosy Henneberg, in dem 3 Kinder im Waschraum 25 Paar Gummistiefel mit Wasser füllten. Erzieherin: „Ich kann gerade nicht verstehen, was ihr macht. Ich brauche eure Hilfe.“ Die Kinder wollten herausfinden, ob noch andere Stiefel undicht seien. Beim letzten Spaziergang hätte ein Junge nasse Füße gehabt. Die Erzieherin spricht mit den Kindern über ihre Anliegen: „Obwohl ich eure Idee gut finde, muss ich mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass es hier jetzt so nass ist. In meinem Kopf überlege ich, wie wir alles wieder trocken kriegen und was ich euren Eltern sagen soll.“
Der in Gang kommende Dialog verblüfft, da es den Sinn und die Bedeutung des Tuns der Kinder offenbart. Gleichzeitig macht die Erzieherin „die Wurzeln ihres Denkens und Handelns sichtbar“, sie hält ihr Anliegen „in der Schwebe“ und muss es auch nicht aufgeben, sondern stellt dies zurück. Durch den „Wasser-Test“ haben die Kinder erfahren, dass nur ein Gummistiefel von M. undicht ist. Sie wollen es aufschreiben, damit die Mutter für ihren Sohn M. neue kauft. Dann teilen die Kinder der Erzieherin auch ihre Ideen mit, wie sie die übrigen Stiefel wieder trocken kriegen.
Lothar Klein resümiert: „Schaffen Sie sich im Alltag dafür freie Zeit. Eine Zeit ohne Angebot und Organisation. Seien Sie einfach da und verfügbar! Genießen Sie die Dialoge mit den Kindern.“
Mit einer inszenierten Dialogrunde zum Thema „Kita-Alltag und Dialog“ forderte Lothar Klein 20 Teilnehmer*innen zum Dialog heraus. Er regte gleichzeitig auch die übrigen „Zuschauer*innen“ des Außenkreises zum vertieften und im Anschluss zum geteilten Nachdenken an (Sustained shared thinking). Hierzu nutzten einige Dialogteilnehmer*innen die von Lothar Klein eingangs vorgestellte „Leiter der Schlussfolgerungen: Wahrnehmen – Deuten, interpretieren – Bewerten – Schlussfolgern – Handeln“. Die „Leiter“ erwies sich als hilfreiches Instrument zum Analysieren. Eine Berufspraktikantin veranschaulichte einen gelungenen Dialog mit einem zweijährigen Kind, als sie die „Leiter heruntersteigend“ – um im Bild zu bleiben – auf der ersten Stufe des Wahrnehmens innehielt und sich von der Perspektive des Kindes „berühren“ ließ.
In der abschließenden Fragerunde gab es Gelegenheit und Raum für kritische Fragen und Reflexion, um nicht in der eigenen Perspektive zu verharren. Spannend war es zu hören, dass nicht alle das Verlangsamen und Zuhören aushalten und genießen konnten. Zumal es in diesem Setting nicht immer allen leicht zu fallen schien – auch unter Beobachtung stehend (durch „Außenkreis“) – von der Kultur des schnellen Antwortens oder „Ich-weiß-etwas-Kultur“ abzurücken. Vielleicht wirkte dies wiederum ansteckend für die anderen. Das „Schweigen“ der einzelnen Dialogteilnehmer*innen wurde unterschiedlich empfunden und vom Außenkreis teilweise anders gedeutet und eingeordnet. Dies zeigt, dass Pädagog*innen nicht immer mit ihren Deutungen richtig liegen und sie sich dies auch eingestehen dürfen und nicht makellos sein müssen. Jeder hat ein Recht auf seine eigenen Fehler, muss nichts verteidigen oder schönreden und schon gar nicht den Schuldigen suchen, wenn der Dialog mal nicht so gelingt. Jeder darf für sich sprechen und entscheiden: Was kann ich dazu beitragen, dass ein Dialog künftig noch besser gelingt?
Am Ende eines „fruchtbaren" Dialogs stehe nicht stets ein Ergebnis, ein Konsens oder die Lösung eines Problems, sondern vielmehr in dem Sinne, wie es Lothar Klein formuliert, "dass sich beide Seiten gesehen und verstanden fühlen, dass es zum echten Kontakt kommt.“
„Notwendig für den Dialog ist die Haltung eines Lerners einzunehmen. Wir treten nicht als Wissende auf, sondern als Lernende. Die Haltung setzt die Bereitschaft voraus, sich einzugestehen, dass ich etwas nicht weiß, sowie Offenheit für das Wissen und die Denkweise des Anderen (Lothar Klein)“
Mich (als Initiatorin des Fachtags) beschäftigt noch die Dialogrunde und wie herausfordernd es ist, Dialogregeln einzuhalten, miteinander zu denken, Mut zu entwickeln, aus der "angestammten" oder beruflichen Rolle der scheinbar perfekten Erwachsenen herauszutreten. Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, inwieweit Situationen im Alltag für Dialoge genutzt werden, um den Gewinn zu erleben.
Dieser Dialogtag hat viele Aspekte geboten, über die es sich lohnt, weiter nachzudenken.
Mechthild Weßels