Polen 2023
Job-Shadowing im Bildungs- und Reahbilitationszentrum für Kinder mit Beeinträchtigung von 0-8 Jahren.
Die Einrichtung strukturiert sich in zwei wesentliche Schwerpunktbereiche. In Deutschland würde ein Bereich als Kindetagesstätte bezeichnet werden und der zweite große Bereich ähnelt in der Strukturen einer so genannten Einrichtung zur Frühförderung. Eine Besonderheit ist, dass in dieser Einrichtung ebenso drei Psycholog*innen und ein Neurologe diagnostisch tätig sind. Als übergeordnetes Ziel verfolgt die Einrichtung eine bestmögliche Förderung von Kindern mit Beeinträchtigung, um diese bestmöglichst für ihren schulischen Werdegang vorzubereiten. Hierfür arbeiten Personen aus medizinischen, therapeutischen und pädagogischen Berufgruppen interdisziplinär zusammen und werden von Assistenzkräften unterstützt. Der Beruf der Heilerziehungspflege ist hierbei mit so genannten Individual bzw. Spezialpädagogen gleichzusetzen. Im polnischen Bildungssystem verlangt dieser Berufsabschluss ein Studium an einer Fachhochschule/Universität mit Bechelor- bzw. Masterabschluss.
Am Abend des Anreisetages haben wir das erste Mal die Einrichtung und das Außengelände angeschaut sowie den Sozialraum erkundet. Ebenso besprachen wir die geplanten Hospitationen und Gespräche in der Einrichtung.
Die anschließenden Tage lernten wir die gesamte Einrichtung kennen, hospitierten in vier verschiedenen KiTa-Gruppen sowie bei einer Therapiestunde mit dem Schwerpunkt der emotionalen Entwicklung, tauschten uns mit einer Psychologin über testdiagnostische Verfahren aus und hatten aufschlussreiche Gespräche mit der Anleitung sowie mit der Leitung der Einrichtung. Ein geplanter Besuch einer Förderschule, konnte aufgrund der Erkrankung der Kontaktperson vorort leider nicht ermöglicht werden.
Als besonders beeindruckend nahmen wir die uneingschränkte Offenheit und Gastfreundschaft aller Mitarbeiter*innen in der Einrichtung wahr. So ermöglichten sie uns verschiedene Varianten der Gestaltung eines ‚Morgenkreises‘ kennenzulernen. Denn in anschließenden Fachgesprächen wurde deutlich, dass es in Polen einen so genannten Bildungsplan für den Elementarbereich gibt. Dieser hat einen hohen Stellenwert bei der didaktisch-methodischen Planung in ALLEN KiTas. Die Lerninhalte sind hierbei für alle Kinder einer entsprechenden Altersgruppe gleich und eine Differenzierung hinsichtlich einer Beeinträchtigung erfolgt nicht. Aufgrunddessen orientiert sich die Gruppenstruktur in der besuchten KiTa vorallem auf der Grundlage homogener Entwicklungsniveaus und der Ausprägung der Beeinträchtigung. Bei unserem Besuch war des Thema ‚Herbst‘, mit Farben, Pflanzen etc. ein erkennbarer Schwerpunkt. Dies spiegelte sich zum einen in den gesehenen Angeboten aber auch in den liebevoll gestalteten Räumen wieder.
In jedem Gruppenraum waren Handlungsprodukte der Kinder ausgehängt oder ausgestellt. Sowohl im Rahmen der Hospitationen als auch anhand dieser kreativen Produkte entstand bei uns jedoch zunehmend der Eindruck, dass die Kinder ihrer Individualität nur in Grenzen Ausdruck verleihen dürfen. Demgegenüber war eine sehr hohe Methodenvielfalt erkennbar und die pädagogischen Fachkräfte gestalteten die Angebote mit einer großen Hingabe. Besonders erleb- und erfahrbar wurde dies für uns, als wir im Rahmen unseres Besuches in der ‚Kobolt-Gruppe‘ in ein Spiel – trotz Sprachbarrieren – eingebunden wurden.
Ebenso der kulturelle Aspekt kam im Rahmen unseres Besuches nicht zu kurz. So besuchten wir nachmittags/abends die Altstadt von Gleiwitz, den Palmengarten und schauten uns das Universitätsgelände an. Ein besonderes Highlight war dabei der Besuch der „Pierogarnia Lepimy“, einer kleinen Gaststätte wo es die ‚berühmten‘ und sehr leckern Piroggen gab. Beim warten auf des Essen kamen wir mit der Betreiberin der Gaststätte ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass im Dachgeschoss ein kleinen Atelier hat, in dem sie seit einiger Zeit Malworkshops für Menschen mit Autismus und Menschen mit Fluchterfahrungen anbietet. Leider erlaubte es unser zeitlicher Rahemen nicht mehr, an einen der Workshops teilzunehmen. ‚Unsere‘ Studierende wird dies jedoch perspektivisch tun und ebenso versuchen eine kooperation zur Einrichtung herzustellen.
Grundsätzlich haben wir den Aufenthalt und Austausch als sehr bereichernd erlebt, weil für uns erneut deutlich wurde wie stark gesellschaftliche Aspekte und ein darin begründetes Menschenbild sich auf die Arbeit mit bzw. die Lebenswelt von Menschen mit Beeinträchtigung auswirkt. Gleichzeitig wird dadurch ebenso die pädagogisch/ therapeutisch Ausrichtung der gesehenen und erlebten Arbeit nachvollziehbarer und erlangt dadurch - unsererseits - ein hohes Maß an Anerkennung. Ebenso gelangten wir zur Erkenntnis, dass auch beengte Räumlichkeiten liebevoll gestaltet als auch kontruktiv genutzt werden können. Mit Einfallsreichtum wird beispielsweise eine Teppich zur ‚Pinnwand‘ umfunktioniert, damit die Visualisierungshilfen auf Augenhöhe der Kinder angebracht werden können.